der Friedhof

Jede Whenuerin und jeder Whenuer weiß genau, was gemeint ist, wenn jemand von DEM Friedhof spricht. Obwohl dieses Gebiet nicht auf whenuischem Boden liegt, geistern doch genug Sagen und Märchen darüber durch das Land. Viele Seuchen, unter denen Whenua in seiner Geschichte zu leiden hatte, sollen auf dem Friedhof entstanden sein und sich über die Berge ins Land geschlichen haben. Man erzählt sich, dass alle verlorenen und unruhigen Seelen, die dem Weg des Wandlers nicht folgen wollen, irgendwann auf dem Friedhof enden. Natürlich darf man auch nicht die sagenumwobenen Schätze unerwähnt lassen, die unter der verseuchten Erde des Friedhofes vergraben sein sollen.

So haarsträubend manche Geschichten auch sein mögen, eines ist sicher: der Friedhof existiert. Nordöstlich hinter dem Ewigen Wall gelegen, mitten in den Verbrannten Landen, markiert er die nördliche Grenze des Gebietes der Re’Eldar. Sucht man nach historischen Berichten über diesen unheimlichen Landstrich, so wird man in der Bibliothek der Akademie von Ostarium einige ausführliche Werke finden. In einem dieser Wälzer findet man diese Information:

„Es steht außer Frage, dass an der Entstehung des Friedhofs sowohl die Menschen beteiligt waren, wie auch die Zwerge, die Kerdos, die heutigen Re’Eldar und sogar noch ein weiteres Volk, dessen Name bis jetzt unbekannt war. Erst durch akribische und gefährliche Feldforschung konnte herausgefunden werden, dass der Name jenes Volkes Aquatide lautete.

Ganz offensichtlich verdankt der Friedhof seine Entstehung einer Schlacht von gewaltigen Ausmaßen an der, soviel wir heute wissen, alle oben genannten Völker in unterschiedlich hoher Zahl teilgenommen haben. Zehntausende haben laut Überlieferung an dieser Stätte ihr Leben verloren und es fand sich niemals eine Priesterin oder ein Priester, der die Überreste der Verstorbenen eingesegnet hätte. Selbst der Wandler wandte sich vom Friedhof ab.

Im Nebel der Zeit verborgen liegt der wahre Grund für das Gemetzel, das damals stattgefunden hat. Belegt ist, dass aus dem Imperium wenigstens drei Kohorten an der Schlacht teilnahmen und dies geschah bereits vor der Besiedelung Whenuas. Es gibt sogar Berichte, denen zufolge Whenua nur besiedelt wurde, weil nach der Schlacht beim Friedhof eine Expansion in dieser Gegend nicht mehr möglich war und dem Imperium nur der gefährliche Weg am schwarzen Fluss entlang blieb, um sein Territorium zu vergrößern.

Die Zwerge geben sich wortkarg wenn es darum geht, über die Schlacht am Friedhof zu berichten. Man merkt deutlich, dass es zu den dunklen Stunden ihrer Geschichte zählt. Es wurde sogar bestätigt, dass diese Schlacht der Grund dafür war, warum die Zwerge jeden Eingang in ihr unterirdisches Reich versiegelten und erst tausende Jahre später wieder Kontakt zur Oberwelt aufnahmen. Bedenkt man, dass dieser Kontakt, den die Zwerge zu den Rwang hatten, bereits vor der Besiedlung Whenuas durch das Imperium stattfand, und rechnet man den Zeitraum der Isolation dazu, dann muss man davon ausgehen, dass die Schlacht am Friedhof bereits vor über 2000 Jahren stattfand – oder sogar noch früher. Diesbezüglich sind leider auch die Quellen aus dem Imperium ungenau, da dieses mit jedem Kaiser eine neue Zeitrechnung begann und viele Namen mehrfach im Gebrauch waren. Nimmt man jedoch einen Zeitraum von etwa 2000 Jahren an, so könnte die Schlacht mit der belegten Mobilmachung mehrerer Kohorten im Jahr 24 der Regentschaft Kaiser Gratians fallen, dessen Regierungszeit mit ca. 1850 p.P. (prae Protectoris) relativ genau belegt ist. Dies ist jedoch lediglich eine Hypothese, und es gibt viele Legenden, die berichten, die Schlacht wäre 10.000 Jahre oder sogar länger her.

Über die Beteiligung der Kerdos an jener Schlacht gibt es sogar noch weniger verlässliche Berichte. Fest steht, dass sie dort waren und schwere Verluste erlitten. Eine der wenigen zuverlässigen Quellen besagt, dass die Kerdos am Ende der Schlacht aufs Brutalste unter den Reihen der Menschen wüteten, um möglichst viele Gefangene zu machen und diese als Beute nach Choros zu verschleppen.

Auch über die Re’Eldar gibt es wenig zuverlässige Informationsquellen. Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass die Re’Eldar vor dieser Schlacht ein großes Volk waren, das den Namen Eledar oder auch Eladar trug. Auf wenige hundert Mitglieder dezimiert, erholten sie sich niemals wieder von ihren Verlusten in jener Schlacht. Seit damals soll ihre Zahl niemals wieder gestiegen sein, wohl aber ihre magische Macht.

Den größten Verlust erlitt wohl aber das Volk, welches auf dem Gebiet des heutigen Friedhofs lebte: die Aquatide. Den wenigen Quellen ist zu entnehmen, dass es sich um eine friedliche Hochkultur handelte, die heute als ausgelöscht betrachtet werden muss. Es gibt keine nennenswerten Artefakte der Aquatide, denn sämtliches Kulturgut ist in den verseuchten Weiten des Friedhofs verschollen.

Die heute am weitesten verbreitete Theorie besagt, dass die Aquatide sich gegen einen Angriff der Eledar zur Wehr setzen mussten, und deshalb Hilfe von Zwergen und Menschen erhielten. Auf welcher Seite die Kerdos standen ist ungewiss, denn es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass die Eledar Verbündete hatten. Es mag sein, dass die Kerdos sich als dritte Partei in der Hoffnung auf reiche Sklavenbeute in die Schlacht einmischten und dabei mehr verloren, als sie gewannen.“

In der Akademiebibliothek von Ostarium ist auch eine jener wenigen zuverlässigen Quellen zu finden, auf die sich das Geschichtswissen der Whenuer stützt. Es handelt sich um die Niederschrift eines Soldaten aus dem Imperium, der die erlebten Gräuel offenbar durch ein Tagebuch verarbeiten wollte. Einer der interessantesten Einträge bezieht sich auf das Ende der Schlacht:

„Wir haben alle geglaubt, dass wir sterben müssen. Die meisten sind auch tot. Die Götter haben den Himmel zerrissen und mit den Blitzen das Land verbrannt. Und wenn nicht die Götter, dann die Dämonen. Oder die Eledar, und die sind so mächtig wie Götter oder Dämonen.

Kann es nicht beschreiben. Die Hitze. Den Gestank. Das Licht, das dir das Hirn auskocht. Tausend Schreie, erst Angst, dann Schmerzen. Freunde, die mit ihrer Rüstung verschmolzen sind. Fester Stein, der zerfließt. Eine Stadt, voller Magie, voller Leute, alle sterben. Frauen und Kinder.

Und die Eledar lachten. Aber nicht lange. Ich habe gesehen, wie sie sich vor Schmerzen krümmten und starben. Ihre Körper sind zerflossen. Oder sie sind erstickt. Wir wissen nicht, warum.

Wer noch irgendwie kriechen konnte, ist geflohen. Wir haben versucht, einige zu retten, aber es ging nicht. Man lief nur mehr um das eigene Leben. Der Boden war verändert. Die Erde war nicht mehr normal. Es war wie durch Pudding laufen. Es sah aus, als würde der Boden die Leichen fressen. Und dann kamen die Kerdos und haben die Leute gefangen. Sie waren selbst verletzt, und viele sind gestürzt, weil ihre Pferde keinen Halt fanden, aber sie waren wie besessen. Haben alles gefangen, was sie kriegen konnten.

Ich habe einmal zurück geschaut. Es war sicher schon zwei Stunden nach dem Inferno. Überall sind die Leute gelaufen oder gekrochen. Sogar die Zwerge sind gelaufen. Aber wo die Stadt war, da kam das Erdbeben. Was noch nicht eingestürzt war wurde zerstört. Die Erde brach auf und verschluckte alles, was da war.

Ich habe drei oder vier Stunden zum Posten gebraucht. Es waren so wenige von uns über. Ich war so müde, und sie schickten mich auf Wache, wegen den Kerdos. Während die anderen verarztet wurden. Ich war gar nicht viel verletzt, darum wurde ich auf Wache geschickt. Einmal bin ich eingeschlafen, aber gleich wieder aufgewacht. Wegen den Albträumen. Ich kann noch immer nicht schlafen. Seit damals nie wieder. Besonders wegen dem Nebel. Der kam im Morgengrauen, und hat den Posten vor mir erwischt. Weiß und grün war der Nebel, ist geschlichen wie ein Dieb. Ich hörte nur Schreie, dann hat sich der Kamerad aufgelöst. Als wäre er in Säure gefallen.

Ich habe Alarm gegeben und wir sind geflohen. Ein paar Kameraden konnten wir nicht tragen. Wir sind weggelaufen und der Nebel ist gekommen und wir sind geflohen mit ihren Schreien im Rücken.“

Geographische Lage:

Nordöstlich von Whenua im Verbrannten Land, jenseits des Ewigen Walls, zwischen der Grenze zum Imperium, Whenua und nördlich des Gebietes der Re’Eldar

Flora/Fauna:

Anders als im restlichen verbrannten Land ist dieser Landstrich äußerst fruchtbar. Die Landschaft ist überwuchert mit Moosen & Flechten, die sich über die Jahrhunderte zu einem riesigen Netzwerk verbunden haben. Im Zentrum des Friedhofs steht beinahe den ganzen Tag ein dichter Nebel, welcher Berichten zufolge zwar harmlos sein soll, sich jedoch zeitweise eigentümlich verfärbt und dann alle Materialien, die länger mit diesem Nebel in Berührung kommen, verätzt. Die Flechten des Friedhofs haben sich als resistent erwiesen, was sie zu einem wertvollen Rohstoff in dieser Gegend macht. Vom Ewigen Wall her sind kleine Waldstücke zu erkennen, die sich jedoch nie zu einer größeren Fläche zusammengeschlossen haben. Auf dem gesamten Bereich des Friedhofs befinden sich vereinzelt kleine Tümpel, Seen und Teiche.

Die Tierwelt ist weniger stark ausgeprägt, da sich einige Pflanzen von Fleisch ernähren. Die wenigen Tiere sind jedoch perfekt an das harte Leben auf dem Friedhof angepasst. Durch den ewigen Nebel sind die meisten Tiere an diesem Ort äußerst lichtempfindlich geworden.

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